Das FLIESSESTRICHFORUM hat seinen Stellenwert als technisches und kommunikatives Branchenereignis weiter erhöht. Die vierte Auflage am 24.10.2017 in Stimpfach-Rechenberg war „ausgebucht“ und setzte durch ein anspruchsvolles Vortragsprogramm wesentliche Akzente mit hohem inhaltlichem Nutzeffekt.
Veranstaltet wird das FLIESSESTRICHFORUM vom Verband für Dämmsysteme, Putz & Mörtel (VDPM), dem Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) und dem Bundesverband Estrich und Belag (BEB). Das Fachpublikum aus Vertretern des Handwerks, der Industrie, aus Sachverständigenkreisen und Ingenieurbüros erlebte ein ebenso vielfältiges wie technisch anspruchsvolles Programm, daneben kam aber auch der fachliche Austausch im Kolleg(inn)enkreis nicht zu kurz.
Nach der Begrüßung durch Antje Hannig (Geschäftsführerin im VDPM) und Bernfried Hansel (Obmann des BEB-Arbeitskreises Calciumsulfatestrich) überraschte Martin Langen (B+L Marktdaten GmbH) mit der Prognose sinkender Nachfrage nach Wohnraum in den Städten („nicht mehr bezahlbar für viele“) und der Gefahr von Überkapazitäten in den Metropolen durch zu viele und zu große MFH-Neubauprojekte. Für die Branche kritisch sei der Trend sinkender Baugenehmigungen bei Ein- und Zweifamilienhäusern mit ihrer im Schnitt höheren Estrichfläche als im Geschosswohnungsbau. Für problematisch hält der Marktforscher auch die personellen Engpässe durch Fachkräftemangel und die dadurch bedingte niedrigere Realisierungsquote bei Bauvorhaben.
Grundlagen und Kenngrößen der Bauakustik und des Trittschalls erläuterte Jan Mörchel (Knauf Gips KG) als Einstieg in seinen Vortrag zum Trittschallschutz im Massivbau nach DIN 4109:2016. Rechenverfahren zur Ermittlung der Trittschalldämmung von Estrichen auf der Rohdecke wurden ebenso anschaulich erläutert wie die Bedeutung der Kriterien dynamische Steifigkeit und flächenbezogene Masse bei unterschiedlichen Trittschall-Dämmstoffen. Anhand von praktischen Vorführungen erklärte er die komplexe Thematik des Trittschalls sehr anschaulich und begeisterte das Publikum.
„Welche Anforderungen können auf Estriche zukommen, wenn es um die Innenraumluftqualität geht?“ – Dieser Frage ging Dr. Christian Scherer (Fraunhofer-Institut für Bauphysik) nach und berichtete über verschiedene Testreihen zu VOC-Emissionen unterschiedlicher Estrichrezepturen. Speziell fixierte Anforderungen zu bestimmten Stoffen gebe es derzeit nicht; wenn sich das ändern sollte, könnten diese von sehr vielen marktgängigen Estrichen eingehalten werden, so Dr. Scherer.
Die seit Juli 2017 gültige Verordnung zur Entsorgung von EPS-Baustellenabfällen, insbesondere von HBCD-haltigem Material aus dem Bestand, stellte Ulrich Meier (Geschäftsführer des Industrieverbandes Hartschaum IVH) vor. Er sprach von einem zuvor „unnötig durch die Politik herbeigeführten Entsorgungsnotstand“, der dank der konsequenten Arbeit der eigens gegründeten „Aktionsgemeinschaft für eine sichere und fachgerechte Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoff-Abfällen (AG EHDA)“ mit der jetzigen Verordnung vorläufig beendet werden konnte. Ulrich Meier gab den zahlreich anwesenden Estrichlegern konkrete Empfehlungen zur Entsorgung, u.a. auch zum Umgang mit den Müllverbrennungsanlagen. Den geplanten Weg der Branche weg von der thermischen hin zur stofflichen Verwertung schilderte Meier anhand des CreaSolv-Verfahrens, mit dem ab 2018 zunächst in einer Pilotanlage neue Wege beim EPS-Recycling beschritten werden.
Dass und warum die Haftzugfestigkeit ein Qualitätsmerkmal bei Fließestrichen darstellt, erläuterte Dr. Roland Augustin (Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung IBF). Auch von ihm gab es für die Praktiker im Saal konkrete Empfehlungen, etwa Estrich-Eigenschaften wie Haftzugfestigkeit und Oberflächenzugfestigkeit vor der Belagsverlegung mit den bewährten Verfahren zu prüfen und ggf. eine Probeverklebung des Oberbelags vorzunehmen. Dr. Augustin verwies in diesem Zusammenhang auf das noch für 2017 geplante neue BEB-Merkblatt „Oberflächenzug- und Haftzugfestigkeit von Fußböden“ als weiterführende Fachlektüre.
Heinz-Dieter Altmann (Sachverständigenbüro Altmann Erfurt) stellte in seinem Systemvergleich Eigenschaften und Ansprüche an Schnellestriche gegenüber, und zwar anhand der Kriterien Verarbeitbarkeit, Festigkeit, Austrocknung und Dauerfestigkeit. Der umfassenden Analyse der stofflichen Möglichkeiten folgten im Vortrag Hinweise auf mögliche Fehlerquellen beim Einsatz (Koordinierungsprobleme, Verarbeitungsmängel). Architekt und Bauleitung seien verpflichtet, die Abstimmung zwischen den Gewerken in der Ausführung vorzunehmen, nicht überall aber sei die notwendige Sachkenntnis hierfür vorhanden, so Heinz-Dieter Altmann. Zur Preisgestaltung äußerte der Sachverständige klar: „Wer Express fahren will, muss Zuschlag bezahlen…!“
In der Frage „Parkett auf Fließestrich – möglich oder nicht?“ bezog Bernhard Lysser (Interessengemeinschaft der Schweizerischen Parkettindustrie ISP) deutlich Stellung: „Hier sind die Parkettdetails eher das Problem als der Estrich!“ Über die verschiedenen Holz- und Parketteigenschaften kam Lysser auf die Estrichanforderungen für die jeweiligen Verlegearten beim Parkett. Auch das Thema Restfeuchte bei Calciumsulfat-Fließestrichen wurde beleuchtet – hier verwies Lysser auf die früher in der Schweiz geltenden Werte 0,8 / 0,5 CM-% (unbeheizt – beheizt), mit denen es „nie ein Problem gab.“ Dass die Schweiz von den derzeit noch existierenden 0,5 / 0,3-CM-% auf die in der DIN 18560-1 fixierten 0,5 / 0,5 CM-% umschwenke, sei „nur noch eine Frage der Zeit.“ Entscheidend ist letztlich allerdings für den Verarbeiter, was der Estrichhersteller in seinen Empfehlungen vorgibt, so Bernhard Lysser.
In seinem Statement zum Abschluss des FLIESSESTRICHFORUMs betonte Dr. Roland Augustin nochmal das Qualitätsniveau der Tagungsinhalte und den hohen Aufmerksamkeitsgrad bei den Teilnehmern, die sich in den Pausen intensiv dem Fachdialog untereinander widmeten. Das 5. FLIESSESTRICHFORUM findet am 23. Oktober 2018 im Kloster Haydau in Morschen statt.