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Nachhaltigkeit? – Ein Thema für Estrichleger!

Zum 8. FLIESSESTRICHFORUM am 2. und 3. September 2024 versammelte sich einmal mehr ein repräsentativer Branchenquerschnitt aus Fachleuten von Handwerk, Industrie, Planungs- und Sachverständigenbüros in Fulda. Wichtigstes Fazit für die rund 150 Teilnehmenden: Nachhaltigkeit ist in der Estrichbranche längst angekommen – und das nicht als allgemeines Gesprächsthema, sondern mit ganz konkreten Inhalten und Anforderungen.

Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM), das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) und der Bundesverband Estrich und Belag (BEB) als Veranstalter widmeten nahezu die Hälfte des Programms der Nachhaltigkeit mit der Zielsetzung zu verdeutlichen, dass alle Branchenbeteiligten sich damit spürbar intensiver als bisher auseinandersetzen müssen. Technische Praxisthemen bildeten den zweiten Schwerpunkt in Fulda.

Zum Auftakt des FLIESSESTRICHFORUMs galt es allerdings, eine besondere Ehrung vorzunehmen: Andres Seifert (Leiter des Arbeitskreises Estrich im VDPM), der zusammen mit Daniel Rendler (Vorsitzender des BEB) das Auditorium begrüßt hatte, wechselt in den Ruhestand. Für sein jahrzehntelanges, herausragendes Engagement auf vielerlei Ebenen in der Estrichbranche dankten ihm die Teilnehmenden in Fulda mit stehenden Ovationen. Die drei veranstaltenden Verbände, in deren Gremien Andres Seifert durch seine Arbeit nachhaltige (!) Spuren hinterlassen hat, setzten ihm mit einer künstlerisch gestalteten Grafik ein symbolisches Denkmal.

Die ganze Bandbreite und Relevanz nachhaltigen Bauens verdeutlichte zum Programmstart Katrin Mees (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes) mit ausführlichen Erläuterungen zur Begrifflichkeit und der einschlägigen Gesetzgebung. Bezogen auf eingebaute (Fließ)Estriche betonte sie deren lange Lebensdauer von bis zu 80 Jahren und die günstigen Rückbaumöglichkeiten: „Somit liegt beim Estrich eine gute Ausgangsbasis für ein potenzielles Recycling vor“, lautete ihr Fazit.

Wie konkret sich Nachhaltigkeit am Bau bemerkbar macht, zeigte Hannes Klockenhoff (Knauf Gips) in seinem Vortrag über Gebäudezertifizierung und einschlägige Siegel wie das der DGNB oder der Bundesregierung (QNG). Hinter den meisten Kriterien für solche Zertifikate verbergen sich unmittelbare Produktanforderungen auch im Bodenbereich, die Hersteller wie Verarbeiter kennen sollten. Der Markt für zertifizierte Gebäude nach definierten Standards wächst, sodass hier Detailkenntnisse und konsequente Fortbildung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken. Sein Appell: „Nehmen Sie das ernst, das Thema ist gekommen, um zu bleiben!“

Dr. Tim Link (CASEA) informierte über den Zusammenhang zwischen den Bindemitteln für Calciumsulfat-Fließestrich und dem CO2-Fußabdruck. Er skizzierte Herstellung und Eigenschaften von alpha-Halbhydrat, von thermischem, synthetischem und natürlichem Anhydrit. „Calciumsulfat-Fließestriche zeichnen sich durch ihren vorteilhaften CO2-Fußabdruck aus und tragen durch die Nenndickenreduzierung (DIN 18560-2) ebenfalls zur Nachhaltigkeit bei“, erklärte Dr. Link. Environmental Product Declarations (EPDs) stellen nach seiner Ansicht ein sehr gutes Instrument für Estrichleger dar, dieses Ergebnis anhand konkreter Zahlen nachzuvollziehen und mit den positiven Werten zum Global Warming Potential (GWP) zu argumentieren.

Auf die Unterschiede zwischen Zementestrich und Calciumsulfat-Fließestrich beim GWP ging auch Hartmut Lange (Franken Maxit) ein und stellte entsprechende Bodenaufbauarten gegenüber. Er verwies auf die im Bestand bewährte Lösung der Nachrüstung mit dünnschichtigen Fußbodenheizungen, die sich vor allem durch geringe Aufbauhöhe auszeichneten. Diese Variante lässt sich mit einer Kombination aus Calciumsulfat-Fließestrich und Strohpanel als Dämmstoff besonders ökologisch realisieren.

Nachhaltiges Bauen ist in Dänemark gesetzlich stärker verankert als in Deutschland. Wie das konkret für Estrich und Fußbodenbau aussieht, berichtete Rene Jacobsen (FBM HORUP A/S). Strengere CO2-Vorschriften führen im nördlichen Nachbarland generell zu einer steigenden Nachfrage nach Baustoffen mit geringerem CO2-Fußabdruck. Dies gelte auch für Calciumsulfat-Fließestrich, unter anderem durch die damit mögliche ergonomische, effektive und wirtschaftliche Bauweise mit wenig logistischem Aufwand, so Jacobsen. Die strenge CO2-Gesetzgebung motiviere Lieferanten auch zu Investitionen in Forschung und Entwicklung für nachhaltigere Produktionsmethoden.

Ist der Einsatz von Calciumsulfatestrich „unter Wasser“ entgegen DIN 18534-1 W2-I möglich? Diese Fragestellung war Thema von Dieter Altmann (Sachverständigenbüro Altmann). Nicht im direkten Duschbereich, lautete seine Antwort, aber in häuslichen Bädern auf Böden mit nicht aufstauendem Wasser – auch in der Beanspruchungsklasse W2-I. Voraussetzung sei eine fachgerecht applizierte Abdichtung mit rissüberbrückenden Dichtungsschlämmen und/oder Reaktionsharzabdichtungen, deren Anschlüsse an Ablaufrinnen oder Bodenabläufe sorgfältig und dicht ausgeführt werden müssen.

Neue Marktsegmente lassen sich auch mit Zementfließestrich erschließen. Diesen Appell richtete Andreas Schäfer (Heidelberg Materials Beton DE) an das Fachhandwerk mit seinem Bericht über den Stand der Technik und einem Ausblick in die Zukunft dieser Estrichvariante. Die Hersteller arbeiteten an neuen Produkten mit geringerem Schwindverhalten und der Möglichkeit zu großen fugenlosen Flächen. Die Verarbeitung könne ähnlich der von Calciumsulfat-Fließestrichen erfolgen. Außerdem kündigte er für die Zukunft auch marktreife dünnschichtige Systeme an.

Der Vortrag von Stefan Schubert fiel inhaltlich etwas aus dem Rahmen – sein Thema Stressbewältigung aber betraf sicher die meisten Zuhörenden im Saal. Über die Einflüsse und Reaktionen der Nervensysteme beim Entstehen von Stress kam er zu geeigneten Strategien und Verhaltensweisen, um damit zielgerichtet und gesundheitsfördernd umzugehen. Ausweichen, Ändern, Akzeptieren oder Anpassen? Schubert schilderte anschaulich, was in welchen Stress-Situationen Sinn macht. Viele müssten lernen, auch mal NEIN zu sagen und sich anzugewöhnen, nicht gleich auf jede Mail sofort zu antworten. „Nehmen Sie Stress nicht auf die leichte Schulter, sondern tun Sie aktiv etwas dagegen“, lautete seine generelle Empfehlung.

Die praktischen Aspekte der Durchführung und Bewertung von Bestätigungsprüfungen an unbeheizten und beheizten Estrichen gemäß DIN 18560-2 erläuterte Egbert Müller (IBF Troisdorf). Ein Schwerpunkt des Vortrags war die besondere Situation der Probenentnahme bei Heizestrichen. Grundsätzliche Vorsicht gilt, wenn in alten Fußböden Schadstoffe wie Asbest oder polychlorierte Biphenyle (PCB) enthalten sein könnten. Hier sollten sich die Akteure zuvor die Schadstofffreiheit zusichern lassen. Ergeben sich außermittige Brüche beim Probekörper, könne dies auf unzureichend verdichtete Teilbereiche, Gefügeschäden oder Anrisse im Estrich hindeuten, so Müller. Solche Brüche müssten bei der Bewertung der Ergebnisse entsprechend berücksichtigt werden.

Der Abschlussvortrag des FLIESSESTRICHFORUMs 2024 widmete sich den Toleranzen im Fußbodenbau nach BEB-Merkblatt 9.2. Burkhard Prechel (Mapei) schilderte die Zielsetzung des Merkblattes: „Wir wollten Bereiche erfassen, die durch die Toleranzennorm DIN 18202 nicht erfasst werden.“ Dies sind entsprechend der Leitsätze des BEB AK Sachverständige der Zeitpunkt der Messung, die Übertragung der Höhenbezugspunkte, die Höhenlage des Estrichs im Raum und in Türdurchgängen, die Höhenlage des Estrich-Anschlusses sowie des Bodenbelages an Einbauteilen und Schienen und die Höhenlage des fertigen Bodenbelages im Anschluss an angrenzende Bodenflächen. Burkhard Prechel erläuterte hierzu jeweils die wichtigsten technischen Details und gab konkrete Hinweise für Planung und Ausführung.

Antje Hannig (VDPM) und Bernfried Hansel (BEB) verabschiedeten die Gäste des FLIESSESTRICHFORUMs 2024 mit dem Hinweis auf die 9. Ausgabe, die für den Herbst 2026 geplant ist. Die Vorträge dieses Jahres stehen zum Download auf www.vdpm.info zur Verfügung.